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Samstag, 16. März 2019

Dieser 1. Band enthält die berühmte Ausgabe vom 15 April 1915 mit Beiträgen von Rosa Luxemburg, Franz Mehring, August Thalheimer, Klara Zetkin u.a.; aus diesem Grunde konnte die Zeitschrift bis zu ihrem Ende Rosa Luxemburg und Franz Mehring als ihre Begründer ausweisen.

Zur Einführung der ersten Ausgabe von „Die Internationale“ heißt es:
Diese Monatsschrift verdankt ihre Entstehung der Genossin Luxemburg. Sie hatte bereits den einleitenden Aufsatz über den Wiederaufbau der Internationale verfasst und mehrere Mitarbeiter geworben, als sie ein Opfer des berühmten Burgfriedens wurde. Sie ist dadurch auf Jahr und Tag ihrer öffentlichen Wirksamkeit entrissen worden, aber diese ehrenvolle Auszeichnung musste ihre Parteifreunde umso mehr anspornen, das von ihr begonnene fortzuführen, bis sie der Fessel entledigt ist, die sie an jeder Mitwirkung hindern.
Unsere Aufgabe ist die gleiche, wie sie in der ersten internationalen Monatsschrift, die Karl Marx herausgab: Selbstverständigung über die Kämpfe der Zeit. Die Selbstverständigung ist notwendig geworden durch die unheilvolle Verwirrung, die die Wirbel des Weltkrieges in der internationalen und zumal in der deutschen Arbeiterwelt hervorgerufen haben. So gilt es von neuem, die einigende, sammelnde und stärkende Kraft zu erproben, die der Marxismus noch in jeder Schicksalsstunde des proletarischen Emanzipationskampfes bewährt hat. Das Bekenntnis zu seiner Praxis und Theorie ist das einfache Programm dieser Zeitschrift.“

In den Jahrgängen 1919 und 1920 werden die Probleme kommunistischer Politik unter der Voraussetzung der unmittelbaren Aktualität der Revolution diskutiert. Sie zeigen, wie sich aus der revolutionären Nachkriegskrise der Spartakusbund zur Vereinigten Kommunistischen Partei entwickelt. In den damit verknüpften Diskussionen werden wesentliche Elemente dessen konstituiert, was dann für eine ganze Epoche kommunistische Politik bezeichnet. Besonders Bedeutungsvoll sind dabei die folgenden Komplexe, die jeweils ausführlich diskutiert werden: Die Rolle der Arbeiterräte in der proletarischen Revolution und ihre Stellung zu Partei und Gewerkschaften. Die mit ihrem spontanen Charakter verbundenen syndikalistischen Neigungen sowie die Versuche ihrer abstrakten Formulierung und Systematisierung. Also organisationstheoretische Probleme, die auch in der vergangenen Protestphase entstanden sind, dort aber kaum in der taktischen Klarheit diskutiert wurden, wie ehedem. Und auch die Kritik der KPD am Betriebsrätegesetz von 1920, als dem ersten Versuch, die neuen Bewegungsformen der Arbeiter im monopolistischen Kapitalismus in Herrschaftsformen zu verwandeln, ist von der neueren Diskussion über Revolution, Selbstbestimmung und kapitalistische Mitbestimmung nicht voll eingeholt, geschweige denn überschritten. Weiterhin wesentlich sind die Auseinandersetzungen über das Verhalten der Kommunisten gegenüber dem spontanen Drängen selber nicht kommunistisch denkender Arbeitermassen, staatliche Machtpositionen, ja die politische Macht selbst, zu übernehmen, wie sie durch die Erfahrungen der Münchner Räterepublik, der ungarischen Revolution und der Politik der Arbeiterräte hervorgerufen werden. Damit verbunden ist die aus der Abwehr des Kapp-Putsches entstehende Frage der Stellung zu einer nichtkommunistischen, reformistischen „Arbeiterregierung“, die daraus entstehende Theorie der Einheitsfont, sowie schließlich, im Zusammenhang mit der Vereinigung der KPD-Spartakusbund mit der linken USPD, die Organisationsfrage unter dem Gesichtspunkt großer, durch die Oktoberrevolution radikalisierter, aber bisher zentristische organisierter Arbeitermassen – eine Diskussion, die dann in den 21 Punkten der Aufnahmebedingungen für die Komintern ihren Niederschlag fand.  

Samstag, 16. Juni 2018

 
Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland
Das von dem britischen Historiker Allan Merson verfasste Buch Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland* erschien bereits 1985 in London und ein Jahr später in den USA. Für den deutschen Sprachraum fand sich lange Zeit kein Verlag, der eine Übersetzung herausbringen wollte. Das mag daran gelegen haben, dass in der alten BRD die Forschung über den Widerstand lange Zeit auf den 20.Juli 1944 und sein eher konservatives politisches Umfeld fixiert war. Dem kommunistischen Widerstand wurde im Zeichen des Kalten Krieges und der Totalitarimustheorie nur wenig Beachtung geschenkt.
In der DDR war demgegenüber überwiegend nur undifferenzierter Lobgesang auf den "heldenhaften" antifaschistischen Widerstand der KPD gefragt. Dafür ist Mersons Darstellung zu differenziert.
Der Verlag Pahl-Rugenstein Nachf. ist nun über den Schatten seines Vorgängerhauses gesprungen und hat das Buch in deutscher Sprache herausgebracht. Damit ist im deutschen Sprachraum eine Lücke geschlossen worden, denn seit 1985 wurde keine Überblicksdarstellung über den kommunistischen Widerstand von 1933 bis 1945 in deutscher Sprache publiziert. Es gibt nur einige Regionalstudien wie Detlev Peukerts Buch über den kommunistischen Widerstand in Rheinland und Westfalen.
Das Buch beginnt mit einer kurzen Darstellung der Entwicklung der KPD von 1918 bis 1933. Schon hier bietet der Autor eine differenzierte Darstellung, die der KPD als revolutionärer Partei sympathisierend gegenüber steht, ohne ihre Fehler und Mängel zu übersehen oder zu beschönigen. Diese Sichtweise behält Merson im ganzen Buch bei. Dabei hebt er zu Recht den Opfermut der kommunistischen WiderstandskämpferInnen und die Tatsache hervor, dass die Kommunistinnen und Kommunisten als erste und so geschlossen wie kaum ein anderes politisches Spektrum Widerstand leisteten.
Er übersieht aber auch nicht die Fehlentscheidungen, die von der Parteiführung in der Illegalität getroffen wurden. Darunter vor allem die sektiererische Abgrenzung gegen anderen Antifaschisten, die erst ab 1935 zögernd aufgegeben wurde. Dabei verschweigt er aber nicht, dass vor allem von sozialdemokratischer Seite eine auf strenge Abgrenzung zielende antikommunistische Politik betrieben wurde.
Der einzige ernsthafte Mangel des Buches ist das Fehlen des Versuchs, den Einfluss der von Stalin betriebenen sowjetischen Außenpolitik auf die Politik der Komintern und damit der KPD intensiver zu untersuchen. Das wird vor allem in dem Kapitel deutlich, in dem der "Hitler-Stalin-Pakt" von 1939 behandelt wird. Hier wärmt Merson die alte Mär auf, dass dieser Pakt quasi eine taktische Meisterleistung Stalins gewesen sei, der so einen gemeinsamen Überfall der Westmächte und Deutschlands auf die UdSSR verhindert hätte. Gewisse dunkle Vorgänge wie die Auslieferung deutscher Antifaschisten, die in der Sowjetunion im Exil lebten, an Deutschland, erwähnt Merson überhaupt nicht.
Trotz dieses Mangels ist seine Darstellung eine brauchbare Einführung in die Geschichte des kommunistischen Widerstands. Die Darstellung ist überwiegend differenziert und anschaulich. Letzteres wird durch das Einflechten von lokalen Ereignissen, vor allem aus dem niederrheinischen Bezirk, erreicht, was dem Leser eine leise Ahnung davon gibt, was es konkret bedeutete, unter den Nazis im Untergrund zu leben.
Die Aufarbeitung der Frage, inwiefern der Stalinismus den antifaschistischen Widerstand beeinträchtigt, muss noch geleistet werden. Alle berechtigte Kritik an stalinistischen Fehlern und Verbrechen sollte aber niemals dazu verleiten, die persönliche Integrität und den Opfermut der KPD-Mitglieder anzuzweifeln, die der Nazi-Diktatur widerstanden: "…schon in Anbetracht der großen Opfer, die sie gebracht haben, sind und bleiben die Kommunisten die Helden des deutschen Widerstands"


Montag, 13. Juni 2016

 
André Mouton
Unverhoffte Wiederkehr aus dem Harz 
Goslar / Brumby (1999) 


André Mouton hat seine teilweise schrecklichen und jegliches Fassungsvermögen übersteigenden Erinnerungen an Nazi-Deutschland in den '70er Jahren für seine Frau geschrieben und ein Vierteljahrhundert später noch einmal überarbeitet.
Ins Auge fällt dabei die Einfachheit und mit ihrer Unmittelbarkeit die Eindringlichkeit der Sprache, die aber, um nicht am Geschilderten zu zerbrechen, eine seltsam anmutende Distanz bewahrt.
Eingestreut in den Prosatext sind acht Gedichte in französisch und deutsch sowie etliche Bilder und Zeichnungen, die dem Lesenden als Orientierung dienen, aber auch zur Veranschaulichung.
Der deutsche Herausgeber nennt das Buch eine "Hommage an alle, die während der Deportation gestorben sind".
André Mouton hat seinen Weg von der plötzlichen Verhaftung und Deportation über das KZ Buchenwald in das KZ Dora bei Nordhausen, vor allem aber den sogenannten Todesmarsch im April 1945 als Flucht vor den heranrückenden US-amerikanischen Truppen aufgezeichnet.
Als sich Anfang April 1945 amerikanische Truppen der südlichen Harzregion näherten, versuchte man die KZ-Häftlinge, die in Rüstungsfabriken und auf Großbaustellen Zwangsarbeit verrichten mussten, in frontfernere Konzentrationslager, insbesondere Bergen-Belsen und Sachsenhausen zu überführen. 
So wurden in den ersten Apriltagen des Jahres 1945 "....allein im südlichen und westlichen Harzvorland aus dem KZ Mittelbau Dora und seinen zahlreichen Aussenlagern zwischen Osterode und Sangerhausen über 40 000 KZ-Häftlinge nach Nordwesten in Marsch gesetzt. Vier Wochen später, bei Kriegsende, waren gut ein Viertel davon tot: verhungert, verdurstet, erstickt, erschlagen, erschossen, bei lebendigem Leibe verbrannt oder an Krankheiten (vor allem an Typhus) gestorben. Nicht ohne Grund nannte der britische Historiker Gerald Reitlinger die KZ-Evakuierungen  "Das letzte und schlimmste der von den Nazis im Kriege begangenen Massenverbrechen". 
Am letztem Wochenende bin ich genau diesen 40km langen Todesmarsch noch einmal nachgegegangen. Es ist fast unvorstellbar zu begreifen, welches Leid, welche Qual die Häftlinge erleiden mussten.
André Mouton setzte sich sehr lange für die Aufarbeitung der Geschichte und gegen das Vergessen ein. 
Es hat mir fast das Herz gebrochen als ich von seinen Verwandten erfuhr, dass er heute sehr unter Demenz leidet und nur noch in einer KZ Welt lebt.

Die sich des Vergangenen nicht erinnern,
sind dazu verurteilt,
es noch einmal zu erleben.
(George Augustin Nicolas de Santayana, 1863-1952)